Werbung für ein Hobby mit Pfiff
Schiedsrichter haben oft einen schweren Stand.
Die Nachwuchszahlen schrumpfen. Ein Schulprojekt hat der SR-Gruppe Erlangen nun Zuwachs beschert.
Oft stehen sie in der Kritik, werden angefeindet und haben wohl die schwierigste Aufgabe auf dem Fußballfeld. Nichtsdestotrotz sind sie für das Spiel mit dem runden Leder elementar wichtig: Schiedsrichter. Dass die Aufgabe, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn es um Sieg oder Niederlage, manchmal sogar über Auf- und Abstieg geht, auch Spaß machen kann, vermittelte Michael Schmidt, Lehrwart der Schiedsrichtergruppe Erlangen, 21 angehenden Referees.
An zwei Wochenenden besuchten die Auszubildenden Vorträge von Schmidt, um sich anschließend einem Test zu unterziehen. Auf dem Gelände des TSV Lonnerstadt vermittelte der Lehrwart seinen Schülern, wie man ein Abseits richtig erkennt, mit Gefahrensituationen während des Spiels umgeht und wie die Internetplattform spielplus.bfv.de bedient wird. Auf der Website sehen Schiedsrichter, für welches Spiel sie eingeteilt sind. „Es besteht die Möglichkeit, euch nur für bestimmte Tage in der Woche zur Verfügung zu stellen“, erklärt Schmidt. Inzwischen gibt es dafür auch eine App vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV).
Die Referees müssen mindestens 15 Spiele pro Saison pfeifen, ansonsten bekommt der Verein, bei dem sie angemeldet sind, eine Strafe (siehe unten). Außerdem müssen sie an sechs Pflichtsitzungen teilnehmen. Vorerst sollen die Nachwuchs-Schiedsrichter Spiele der G- bis A-Jugend leiten. Wenn sich jemand als besonders geeignet herausstellt, kann dieser, laut Schmidt, aber auch im Herrenbereich bis zur Kreisklasse eingesetzt werden. „Es ist abhängig von den persönlichen Qualifikationen“, erklärt der Lehrwart.
Unterstützung bekommen die Unparteiischen zunächst von einem sogenannten Paten. Schon vor dem Spiel gibt der Pate, der bereits jahrelang Schiedsrichter sein muss, letzte Tipps und Instruktionen. Auch in der Halbzeitpause ist er da, um das bisherige Spielgeschehen zu analysieren. „Ziel ist, dass sie langsam aufgebaut werden“, so Schmidt.
Für einen guten Einstieg komme für ihn aber auch noch eine andere Methode infrage. Beim sogenannten „Tandem-Schiedsrichter“ wird jeweils ein Neuling einem erfahrenen Schiedsrichter zugeteilt.
„Der Nachwuchs-Schiedsrichter läuft immer im Windschatten des Erfahrenen“, sagt Schmidt. So soll sich der Anwärter Strategien zur Lösung kritischer Situationen und Laufwege abschauen. In der zweiten Halbzeit würden die Rollen getauscht, nun folgt der erfahrenere Unparteiische dem jungen. Nach dem Spiel gibt es weitere Tipps. Diese Methode wurde bisher allerdings nicht angewendet und wäre vorerst Freundschaftsspielen vorbehalten.
Um Geld darf es den Neulingen nicht gehen, denn „ihr werdet nicht reich“, erklärt der Lehrwart den Schülern.
Für die Leitung eines Jugendspiels und Partien der unteren Herren-Klassen werden 15 bis 20 Euro gezahlt, dazu gibt es etwas Kilometergeld. „Wer das Hobby aus finanziellen Gründen betreibt, ist hier sowieso falsch“, erklärt Schmidt. Neben den Vergütungen bringt der Schiri-Schein weitere Vorteile. Bundesweit können die „Männer in Schwarz“ alle Spiele kostenlos besuchen und sich somit Verhaltensweisen von Bundesliga-Schiedsrichtern abgucken.
Dazu bekamen die Kursteilnehmer in Lonnerstadt schon während des Lehrgangs Gelegenheit: Bei der Zweitliga-Partie des 1. FC Nürnberg gegen Eintracht Braunschweig sollten sie vor allem die Schiedsrichter beobachten, um daraus Schlüsse für ihre spätere Tätigkeit zu ziehen.
„Es ist spannend, das Spiel aus der Sicht des Schiedsrichters zu sehen“, erklärt Teilnehmer Sebastian Möhring, der beim TSV Vestenbergsgreuth kickt. „Außerdem ist es interessant, weil man Sachen lernt, die man vorher vielleicht noch nicht wusste“, erzählt der 17-Jährige. „Man kann sich so auch noch ein wenig Geld nebenbei verdienen“, wirft sein Freund Felix Dietsch ein. Auch er spielt in Vestenbergsgreuth. Gemeinsam haben die zwei eine Menge Ehrgeiz, denn ihr Ziel ist es, später nicht nur Jugendmannschaften, sondern auch Herren in etwas höheren Ligen zu pfeifen.
Aufmerksam wurden die zwei, als das Gymnasium Höchstadt Werbung für den Lehrgang betrieb. Die Idee stammt von Achim Engelhardt, der sowohl Lehrer am Gymnasium als auch Trainer in der Jugendabteilung des TSV Lonnerstadt ist. Als Coach fühlte er sich von den Schiedsrichtern oft missverstanden. Einige, vor allem ältere Unparteiische, hätten sich „komisch“ verhalten. Engelhardt wollte etwas bewegen, um das Problem zu lösen und neue Schiedsrichter an das Hobby heranzuführen. Mithilfe eines Sportlehrers des Gymnasiums, Tobias Krapf, nahm er Kontakt zu TSV-Vorstand Frank Iftner auf, nachdem Schule und Verein zusammen bereits einen DFB-Junior-Coach-Lehrgang angeboten hatten.
Ebenso erfolgreich wie dieser war das Schiedsrichterprojekt. 19 Teilnehmer haben den Test, wenngleich es eine Nachprüfung gab, bestanden und die Nachwuchssorgen der SR-Gruppe Erlangen etwas gelindert. Allerdings, das weiß auch BFV-Schiedsrichter-Obmann Walter Moritz, braucht es weitere Initiativen, um dem Negativtrend entgegenzuwirken. Mancherorts stellen nicht einmal 50 Prozent der Vereine so viele Schiedsrichter, wie sie müssten, was auch daran liegt, „dass sie sowieso schon Schwierigkeiten haben, Leute für die verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten zu finden“, sagt Moritz. Der Umweg über die Schule ist also ein positiver Ansatz, wenn die Idee dort auf fruchtbaren Boden fällt.
Wieviele Schiedsrichter muss ein Verein stellen?
Für jede erste und zweite Mannschaft – egal, ob Damen oder Herren – sowie für jedes A- und B-Jugend-Team, das ein Verein meldet, muss er einen Schiedsrichter stellen. Wenn er das nicht kann, muss er Ausfallgebühren zahlen. In der A-Klasse sind das im ersten Jahr 56,50 Euro, ab dem dritten Jahr steigt der Preis um 50, nach fünf Jahren um 100 Prozent. Je höher die Spielklasse, desto teurer wird es. Um voll gewertet zu werden, muss ein Schiedsrichter pro Jahr 15 Spiele leiten und sechs Sitzungen seiner SR-Gruppe besuchen.
Wie groß sind die Nachwuchssorgen?
Zum Teil gravierend. Die Schiedsrichtergruppe Erlangen hat derzeit nur noch 288 Unparteiische. Vor drei, vier Jahren lag die Zahl bei 500. „Allerdings“, schränkt BFV-Pressesprecher Thomas Müther ein, „wurde das Zählsystem angepasst. Bis vor zwei Jahren sind noch alle passiven Schiedsrichter mitgezählt worden, inzwischen nur noch diejenigen, die tatsächlich auf dem Platz stehen.“ Trotzdem muss so mancher Unparteiische vier oder fünf Partien pro Woche leiten – zum Teil gruppenübergreifend. Und selbst dann kommt es vor, dass Spiele im Jugendbereich oder in unteren Klassen nicht besetzt werden können.
Wie wird ein Referee entlohnt?
Für Spiele der U13 und U15 gibt es 15 Euro sowie 30 Cent für jeden gefahrenen Kilometer. Bei der A- und B-Jugend sowie bei Spielen der Frauen (Bezirksliga) und Kreisliga abwärts werden 17 Euro fällig. In der Herren-Bezirksliga sind es 30 Euro, in der Landesliga 44 und in der Bayernliga 60. Darüber hinaus gibt es Vergünstigungen, wie freien Eintritt bei Bundesliga-Spielen, und der Verein stellt dem Schiedsrichter pro Jahr zwei Outfits kostenlos zur Verfügung.
Ein Interview: „Das Projekt war Segen und positiver Anstoß.“
Nachwuchssorgen treiben die Schiedsrichtergruppen um, für eine Lösung des Problems braucht es kreative Ansätze. Lehrwart Michael Schmidt schildert seine Sicht auf das Projekt in Lonnerstadt.
Wie ist die Lage an der Schiedsrichterfront, wie sehr haben die Gruppen mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen?
Michael Schmidt: Alle Gruppen haben dieses Problem, und die Entwicklung schreitet voran. Und die hat nicht nur mit Demografie zu tun. Viele sehen sich auf den Sportplätzen teils massiven Anfeindungen ausgesetzt und geben ihr Hobby deshalb auf. Dadurch wird es für uns immer schwieriger zu vermitteln, wie viel Spaß die Schiedsrichterei machen kann.
Wie haben Sie den Vorstoß des Höchstadter Gymnasiums aufgenommen?
Wir als Schiedsrichtergruppe haben schon viele Anstrengungen unternommen, um Nachwuchs zu werben. Oft ohne Erfolg. Dass die Schule von sich aus auf uns zugekommen ist und mit dem TSV Lonnerstadt einen Partner gefunden hat, der alles mitträgt und dafür gesorgt hat, dass sich die Teilnehmer praktisch um nichts selbst kümmern mussten, war eine tolle Sache. Auch für mich persönlich, obwohl ich erst seit einem halben Jahr Lehrwart bin und davor erst einen Lehrgang geleitet habe.
Wie haben sich die jungen Leute geschlagen? Wie viele, denken Sie, werden bei der Stange bleiben?
Einer hat im Laufe der Ausbildung gemerkt, dass die Schiedsrichterei wohl nichts für ihn ist, ein anderer konnte den Fitnesstest krankheitsbedingt nicht machen und hatte am Nachholtermin keine Zeit. Er wird für den nächsten Lehrgang auf jeden Fall wieder eingeladen. Insgesamt waren die Teilnehmer, die fast alle selbst Fußball spielen, sehr interessiert und aufgeschlossen, auch wenn es einen Tag gedauert hat, bis das Eis gebrochen war. Die Teilnehmer mussten ja auch erst einmal verstehen, dass ein Schiedsrichter nicht nur die Regeln kennen, sondern auch Tugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder Überparteilichkeit mitbringen muss.
Letztendlich musste einer in die Nachprüfung, aber alle haben bestanden, einige sogar mit 60 von 60 möglichen Punkten. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr haben die SR-Gruppen Erlangen, Forchheim und Fränkische Schweiz zusammen für einen Kurs nur elf Teilnehmer gefunden. Für uns Erlanger sind davon zwei Schiedsrichter abgefallen. Deshalb ist dieser Lehrgang mit 19 erfolgreichen Absolventen ein Segen. Und wenn nur die Hälfte der Neulinge mittelfristig dabeibleibt, ist das ein toller Erfolg.
Ist dieses Projekt ein Anstoß für die SR-Gruppe, weiter in die Offensive zu gehen?
Auf jeden Fall. Wir wollen auf Schulen zugehen und parallel die Vereine noch mehr involvieren. Vielleicht lässt sich ein solches Projekt ja in den Nachmittagsunterricht einbinden. Es gibt Ideen für die Nachwuchsgewinnung, unter anderem aus der Arbeitsgruppe 8 des BFV. Aber bislang haben es die Vereine kaum geschafft, mehr Leute zu den Lehrgängen zu schicken.
Die Fragen stellte Johannes Höllein